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Aktuelles Wirtschaftsrecht: Die Grundsätze, die der BGH für die Beurteilung der positiven Fortführungsprognose eines Unternehmens aufgestellt hat, sind bei Start-ups nicht uneingeschränkt anwendbar.

In diesem Beitrag setzen wir uns mit einer bedeutsamen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. August 2023 auseinander, welche die Grundsätze der positiven Fortführungsprognose von Unternehmen, insbesondere von Start-ups, neu beleuchtet. Dieses Urteil, Az. 12 U 59/22, markiert einen Wendepunkt in der Beurteilung der Überlebensfähigkeit junger Unternehmen, die in ihrer Natur nach anderen wirtschaftlichen Dynamiken folgen als etablierte Gesellschaften.

Die Rechtslage bis dato

Traditionell basiert die Einschätzung einer positiven Fortführungsprognose auf zwei Säulen: dem Fortführungswillen der Schuldnerin und der objektiven Überlebensfähigkeit für die nächsten zwölf Monate, basierend auf einem aktualisierten Ertrags- und Finanzplan. Besonders kritisch wird es bei der Frage der Überschuldung, die eine rechnerische und eine prognostische Komponente beinhaltet. Die Insolvenzordnung nennt die Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung als Insolvenzgründe für juristische Personen.

Der Fall eines Start-ups

Das spezifische Urteil bezieht sich auf ein Start-up, das eine Online-Börse für Gebraucht- und Nutzfahrzeuge betreiben wollte und über Jahre hinweg eine entsprechende Software entwickelte. Die Finanzierung erfolgte primär über Mezzanine-Kapital eines Investors. Trotz minimaler Umsätze und erheblicher Verbindlichkeiten war Anfang 2016 noch von einer positiven Fortführungsprognose ausgegangen worden, da der Investor wiederholt seine Unterstützung zusagte.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf widersprach jedoch dieser Einschätzung und stellte fest, dass das Start-up zum entscheidenden Zeitpunkt überschuldet war. Wesentlich ist hierbei, dass die Grundsätze der Fortführungsprognose, wie sie der Bundesgerichtshof (BGH) für etablierte Unternehmen aufgestellt hat, nach Auffassung des OLG für Start-ups nur eingeschränkt gelten. Gerade in der Gründungs- und Entwicklungsphase sind Start-ups oft nicht aus eigener Kraft finanzierungsfähig. Ihre Überlebensfähigkeit hängt maßgeblich von externen Finanzierungszusagen ab.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, die besondere Situation von Start-ups in der Rechtsprechung zu berücksichtigen. Es eröffnet einen realitätsnahen Blick auf die Finanzierungspraxis junger Unternehmen, die in ihrer Anfangsphase auf die Unterstützung von Investoren angewiesen sind. Gleichzeitig werden klare Anforderungen an die Fortführungsprognose gestellt: Eine realistische, auf nachvollziehbaren Annahmen basierende Finanzplanung ist unerlässlich. Die Entscheidung bestätigt, dass die Bewertung der Überlebensfähigkeit von Start-ups eine differenzierte Betrachtung erfordert, die über die reine Selbstfinanzierungskraft hinausgeht.

Fazit

Das Urteil des OLG Düsseldorf stellt einen Meilenstein in der Bewertung der wirtschaftlichen Realitäten von Start-ups dar. Es anerkennt die spezifischen Herausforderungen, mit denen diese Unternehmen konfrontiert sind, und ermöglicht eine flexiblere Handhabung der Insolvenzprognose. Für Start-up-Gründer und ihre Investoren bietet es wichtige Orientierungspunkte für die Einschätzung der rechtlichen Risiken und unterstreicht die Bedeutung einer soliden, zukunftsorientierten Finanzplanung.

 

Ihr Ansprechpartner

Markus Jansen

Markus Jansen