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Steht hohes Alter einer Kündigung entgegen?

15.07.2021 

Nicht selten wird der Kündigung eines Mietvertrages seitens des Mieters entgegengehalten, sein hohes Alter stelle einen besonderen Härtegrund dar, der ihm die Kündigung unzumutbar machen würde. Die Rechtsgrundlage für diesen Widerspruch findet sich in § 574 Abs. 1 BGB. Doch kann hohes Alter für sich genommen schon einen solchen Härtegrund darstellen? Darüber hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden. (Az.: VIII ZR 68/19)

Der Sachverhalt

Ein Vermieter kündigte seiner 89-jährigen Mieterin ordentlich fristgerecht das Mietverhältnis. Verständlicherweise ging die Mieterin gegen die Kündigung vor. Ihren Widerspruch begründete sie mit ihrem hohen Alter, welches ihr einen Umzug unzumutbar machen würde, Zudem wohne sie bereits seit 24 Jahren in der streitgegenständlichen Wohnung

Das Urteil

Das jedoch reichte dem Bundesgerichtshof nicht aus. Damit ein Härtegrund im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB vorliege, müssten sich die Unannehmlichkeiten im Einzelfall von denen mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen deutlich abheben. Eine solche Härte könne zwar durch ein besonders hohes Alter in Verbindung mit weiteren Umständen – zum Beispiel einer festen Verwurzelung des Mieters in seiner Umgebung – gegeben sein. Dies sei jedoch immer im Einzelfall genau zu prüfen.

Und diese Umstände seien in diesem Falle durch die Mieterin nicht überzeugend dargetan. Die Mieterin hätte ganz konkret vortragen müssen, unter welchen altersbedingten Erschwernissen sie leide, die ihr einen Umzug unzumutbar mache. Eine pauschale Verweisung auf das unstreitig hohe Alter reiche nicht aus, so der BGH.

Auch zur festen Verwurzelung in der Nachbarschaft reichte dem BGH der Vortrag der Mieterin nicht. Denn eine lange Mietdauer alleine könne eine derartig feste Verwurzelung noch nicht ohne Weiteres begründen. Vielmehr komme es auf die individuelle Lebensführung der Mieterin an. Das könnten zum Beispiel persönliche Kontakte in der Nachbarschaft, Einkäufe in der näheren Umgebung, kulturelle, religiöse oder sportliche Veranstaltungen in der Nähe der Wohnung oder medizinische Dienstleistungen sein, die von der Mieterin wahrgenommen würden. Derartiges sei von der Mieterin jedoch nicht vorgetragen worden.

Zu guter Letzt sei auch ein Vortrag zu den konkreten Folgen eines Umzuges für den gesundheitlichen Zustand der Mieterin Vonnöten gewesen. Auch an diesem mangele es. Aus diesen Gründen blieb der Widerspruch der Mieterin erfolglos.

Einschätzung & Empfehlung

Das Urteil des BGH zeigt, dass stets im konkreten Einzelfall zu entscheiden ist, ob ein besonderer Härtegrund im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB vorliegt. Pauschale Verweisungen auf vergangene Urteile und Umstände wie hohes Alter oder jahrelange Mietdauer reichen dafür nicht aus. Es bedarf einer detaillierten Sachverhaltsaufklärung und anschließend substantiierter rechtlicher Argumentation, warum die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 BGB erfüllt sein sollen.

Ihr Ansprechpartner

Jens Schulte-Bromby, LL.M.

Jens Schulte-Bromby, LL.M.